Interview mit dem Viani-Geschäftsführer Remo Viani

Remo Viani legt uns Italien in den Mund. Von Göttingen aus vertreibt er italienische Lebensmittel – und betreibt auch zwei Feinkostläden in Berlin. Zu unserem Foodfestival werden Viani 40 ihrer liebsten Produzent:innen mit nach Berlin bringen. Ein Gespräch über italienische Marktplätze, Entdeckungshunger und das kulinarische Berlin.

Interview: Clemens Niedenthal

Die besten Produkte kommen meistens von den sympathischsten Produzent:innen: Auch das ist eine zudem sehr schöne Erfahrung, die Remo Viani mit den Jahren gemacht hat. Vor 50 Jahren hat sein Vater Antonio den italienischen Feinkosthändler in Göttingen gegründet. San-Marzano-Tomaten, Balsamicoessig, die Focaccia, diese Dinge hat Viani als erstes nach Deutschland gebracht. Heute ist die italienische Küche hierzulande in aller Munde. Aber das ist nur ein Grund mehr, für das einzutreten, wofür das kulinarische Italien wie keine andere Esskultur steht: die Qualität und der Charakter ihrer Grundprodukte.

Remo, was verbindest Du mit einem italienischen Wochenmarkt?

Ein italienischer Markt ist sehr laut, sehr wild, der Fischhändler spielt nebenbei noch Gitarre und wenn nicht geredet wird, wird gestikuliert. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, auch wenn viele vielleicht nur das Nötigste kaufen. Ich muss da etwa an Ortygia auf Sizilien denken, auch wenn der Markt dort inzwischen sehr touristisch ist und man sehr früh und abseits der Hauptsaison kommen sollte. Dort aber kann man die Choreografie eines italienischen Marktes schön studieren. Man merkt schnell, wie wichtig die Menschen hinter den Produkten sind.

Der Wochenmarkt als soziale Bühne?

Man geht mit den Händler:innen eine Beziehung ein, anders als in einem anonymen Supermarkt. Und Beziehungen sind extrem wichtig, selbst die beste Neapolitanische Pizza schmeckt ja nochmal besser, wenn auch der Pizzaiolo einer ist, der einen für sich einnimmt.

Geht es auf unserem gemeinsamen Food Markt im Clärchens also genauso um die Produzent:innen wie um die Produkte?

Unbedingt. Deshalb haben wir vor vier Jahren ja auch unsere Viani-Läden gegründet. Wir haben so viele tolle Produzent:innen mit so vielen spannenden Geschichten und haben gemerkt, dass man die als Großhändler nur sehr unmittelbar erzählen kann. Zum Glück hat unsere Erfahrung auch gezeigt, dass die interessanteren Menschen auch die interessanteren, ja besseren Produkte erzeugen. Eine gewisse Weltoffenheit und Aufgeschlossenheit, so etwas kann man, das ist meine Erfahrung, tatsächlich schmecken.

Dein Vater Antonio Viani hat Euer Unternehmen 1973 gegründet. Wie präsent war damals die gute italienische Küche bereits in Deutschland?

Überhaupt nicht. Weswegen wir in den Anfangsjahren faktisch nur die deutsche Sternegastronomie beliefert haben. Dort kannten die Köche die unglaubliche Qualität, den Purismus und vor allem die Frische der italienischen Küche – nur mussten sie halt immer französische Fonds und Saucen ansetzen. Die Trüffel aus Alba waren so etwas wie unser Türöffner, und dann hatte plötzlich ein Küchenchef etwas von diesem süß-sauren eingedickten Essig gehört, ob mein Vater denn auch sowas besorgen könnte?

Aceto Balsamico?

Ja. Wir waren die ersten, die Aceto Balsamico nach Deutschland gebracht haben. Und das war gar nicht so einfach, denn üblicherweise waren diese über Jahre und Jahrzehnte reifenden Essigfässer die Mitgift für die Töchter der Familie – und damit eigentlich unverkäuflich.

Gibt es auch heute noch solche Entdeckungen?

Seltener, dafür sind die Welt und auch ihre Aromen inzwischen einfach viel zu gut vernetzt. Colatura di Alici fällt mir aber ein, eine Sardellensauce aus einer Region etwas südlich von Neapel. Die ist umami ohne Ende und erinnert beinahe an die japanische Küche. Einfach Spaghetti, ein wenig Knoblauch, Petersilie und Colatura di Alici und du drehst durch.

Du hast angesprochen, dass Ihr zu Beginn vor allem in den ganz feinen Küchen zuhause wart. Warum tun sich gerade die klassischen Gourmetführer hierzulande noch immer mit der italienischen Küche so schwer?

Ich glaube, das liegt an der Umgänglichkeit der italienischen Küche, sowohl auf dem Teller als auch in der Attitüde und der Atmosphäre in den Restaurants. Dieses Nonchalante, gerne auch Rustikale verträgt sich vielleicht nicht mit den eher steifen Erwartungen, die man, abseits von Berlin, vielleicht noch an ein Gourmetrestaurant hat.

Das war jetzt ein Kompliment an unsere Stadt, oder?

Für mich ist Berlin tatsächlich die kulinarische Hauptstadt Deutschlands geworden, aufgrund ihrer Offenheit, der Diversität und auch der Augenhöhe, mit der die vielen kulinarischen Milieus der Stadt einander begegnen. Das spiegelt sich übrigens auch in unseren Läden wider, in Berlin haben wir das aufgeschlossenste, auch mutigste Publikum.

Was für Besucher:innen wünschst Du Dir für unserem gemeinsamen Food Markt im Clärchens am 7. und 8. Oktober?

Menschen, die mit Neugier und einem sensorischen Interesse durch die Stände schlendern. Die den Markt auch zu einem emotionalen Erlebnis machen, die die Chance nutzen, die Produzent:innen kennenzulernen. Ein wenig ist das ja auch die Crux der italienischen Küche: Sie ist heute allgegenwärtig, nur hat ein Supermarktpesto eben wenig mit einem handwerklichen Pesto Genovese zu tun. Vielleicht geht es also darum, Italien noch einmal ganz neu zu schmecken.

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